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Vielfalt in der Stadt
Mai 2022
Der Experte
Es handelt sich nicht um eine Beschwörungsformel. Es handelt sich nicht um ein Mantra. Es handelt sich um eine Notwendigkeit. Die Vielfalt ist einer der neuen Werte, die in die Immobilienbranche einfließen. Jenseits der Indizes für „Vielfalt und Inklusion“ und der Marketingeffekte, die intelligent die Jahresberichte bekleiden, steht diese Notwendigkeit auf der Liste der vorrangigen Anliegen der Manager von heute und morgen weit oben. Warum? Aus drei Gründen: Leistung, Kreativität, Innovation.
Laut Deloitte, das im Auftrag von Crédit Agricole Ile-de-France Führungskräfte und Personalchefs befragte, sind 80 % der Befragten der Ansicht, dass Vielfalt und Inklusion Wettbewerbsvorteile für ihre Unternehmen darstellen. Und nun beginnen Kennzahlen aufzutauchen. „Unternehmen mit Inklusionsstrategien haben eine um 60 % höhere Chance, ihre Produktivität zu steigern, ihr Markenimage zu verbessern und Talente anzuziehen“, stellt die Studie fest. Das ist unsere Überzeugung, denn wir glauben, dass Vielfalt Wohlstand schafft.
Gleichstellung und Vielfalt
Gleichstellung ist in der Immobilienbranche kein Tabuthema mehr. Vor etwas mehr als einem Jahrzehnt wurden mit dem frz. Copé-Zimmerman-Gesetz die ersten Weichen für eine ausgeglichenere Vertretung von Frauen und Männern in den Verwaltungs- und Aufsichtsräten gestellt. In unserem Bereich hat die Charta zur Förderung der Gleichstellung und der beruflichen Gleichstellung von Frauen und Männern in den Unternehmen und Organisationen der Immobilienbranche, die von mehr als hundert von uns unterzeichnet wurde, wie ein Weckruf gewirkt. Auf dem Foto unserer Branche müssen Frauen und Männer ihre Pose mit Fairness und Wahrheit einnehmen. Diese Dynamik ist im Rollen und sie wird nicht aufhören. Sie darf jedoch nicht in Vergessenheit bringen, dass über die Gleichstellung von Frauen und Männern hinaus eine weitere Bewegung nur darauf wartet, hervorgebracht zu werden. Diese wird ihre Quellen aus der – notwendigen – Vielfalt der Profile und Kulturen schöpfen. Um die Stadt der Zukunft aufzubauen, von der nachstehend die Rede sein wird, braucht es Architekten, Bauherren, Entwickler und Investoren. Es braucht aber auch Demografen, Soziologen, Philosophen, Intellektuelle und Bürger, deren Alltag sie ist. Es braucht auch Männer und Frauen, die aus anderen Kulturen, anderen Ländern und anderen Horizonten stammen, denn die Stadt geht alle an und nicht nur die öffentliche Hand.
Vielfalt und Mischung
Seit einigen Jahren knabbert die Vielfalt auch an der Geografie der Gebäude. Die Trennung der Funktionen, die man wie die Schichten eines Schichtkuchens übereinander stapelte, ist vorbei. Heute vermischen sich die Geschmäcker im Mund. Mit einem kleinen Rückstand auf einige unserer europäischen Pendants haben die Gebäude – vor allem in Paris – die Tugenden der gemischten Nutzung wiederentdeckt. Büros mit Geschäften, Studentenwohnheime mit Wohnungen wie in einem großen Shaker zu mischen, hat sich als beliebter Raum zum Denken von Immobilienbeobachtern erwiesen. In einer Dynamik, die von den neuen Nutzungsarten getragen wird, haben sich die Projektträger dabei ertappt, sich eine Mischung auf allen Etagen vorzustellen. Die jüngste Einweihung von Morland Mixité Capitale, das mit nicht weniger als 11 identifizierten Nutzungsarten die Mischung auf die Spitze getrieben hat, dürfte die die Schaffung einer neuen Generation von Gebäuden anstoßen. Um sich einen kleinen Überblick zu verschaffen, bietet uns die Schwemme von Coworking Spaces in Frankreich, die mittlerweile einen neuen Markt – den des schlüsselfertigen Büros - bilden, einige Schlüssel zum Verständnis. Die Codes von Büro, Zuhause und Hotel vermischen sich. Und man muss feststellen, dass es dem Nutzer – Ihnen, mir, anderen – gefällt.
Mischung und Vielfalt in der Stadt
Wenn uns dies gefällt, warum sollten wir dann nicht von der zwingenden Notwendigkeit einer vielfältigen Stadt überzeugt sein? Der Mensch – das ist allseits bekannt – ist von Natur aus ein Herdentier. Auf Pariser Ebene predigt er Vielfalt, tut aber genau das Gegenteil. Er wohnt in Stadtvierteln, in denen die anderen so aussehen wie er. Er arbeitet im CBD oder QCA, Akronyme, die so überholt klingen. In einer Zeit, in der Vielfalt auf Schritt und Tritt gepredigt wird, tun wir genau das Gegenteil. So sehr, dass die Frage berechtigt ist: Wollen wir wirklich in einer vielfältigen Stadt leben?
Die Bewegung der gemischten Stadt ist allerdings bereits in vollem Gange. Auch in Paris verändern ganze Stadtviertel ihr Aussehen, der Pariser Osten wird begehrenswert, eine neue Dienstleistungsgeografie – unterstützt durch ein solides Mobilitätsnetz – nistet sich ein. Natürlich stehen wir noch ganz am Anfang des Prozesses. Natürlich wollen wir unsere Orientierung nicht verlieren. Eines ist jedoch sicher: Die Immobilienbranche kann von der Vielfalt nur profitieren. Der Orte. Der Frauen und Männer. Der Gebäude.
Erscheinungsdatum : Mai 2022