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Von Effizienz zu Genügsamkeit, eine kurze Geschichte der Umweltleistung im Bauwesen
November 2021
Der Experte
Der Begriff der Umweltverträglichkeit im Bauwesen wurde lange Zeit auf die Energieeffizienz in der Betriebsphase des Gebäudes reduziert, d. h. auf die Energie, die für Heizung, Beleuchtung, Wasser usw. verbraucht wird.
Diese Sichtweise stammt hauptsächlich aus dem historischen Kontext der Entstehung des Rechtsrahmens, der nach der ersten Ölkrise 1971 entwickelt und eingeführt wurde, einem Ereignis, das die westliche Gesellschaft durch das Bewusstsein der Endlichkeit der Energieressourcen des Planeten prägt. Energie wurde zu einem Grund zur Besorgnis und zum Hauptgegenstand des Regulierungsrahmens. Von einer Version der Norm zur nächsten steigen die Anforderungen an die Wärmedämmung bis hin zur Verdoppelung der Wanddicke, wodurch der Energieverbrauch in der Betriebsphase allmählich sinkt. Mit anderen Worten: Die Verringerung der Betriebsenergie wird durch die Erhöhung der Menge der verwendeten Materialien erreicht, wobei die Phänomene der Wirkungsverlagerung und der Verschmutzungsverlagerung im Lebenszyklus des Gebäudes genau veranschaulicht werden.
Analyse des Lebenszyklus
Die Phänomene der Wirkungsverlagerung und der Schadstoffverlagerung sind Teil des theoretischen Rahmens der Umweltbewertungsmethode Lebenszyklusanalyse (LCA). Kurz gesagt besteht die Methode darin, alle Ressourcen- und Energieflüsse, die für das Funktionieren eines Systems erforderlich sind, von der Rohstoffgewinnung bis zum Ende der Lebensdauer nachzuvollziehen (siehe Abbildung 1). Diese Ströme werden dann in Umweltauswirkungen nach verschiedenen Kategorien übersetzt: Klimawandel (Kohlenstoffbilanz), Toxizität, Verschmutzung in Wasser und Luft, ionisierende Strahlung etc. Die Methode ermöglicht es somit, diese Umweltauswirkungen zu quantifizieren sowie die Übertragung von Auswirkungen von einer Phase des Lebenszyklus auf eine andere und die Übertragung von Verschmutzung von einer Auswirkungskategorie auf eine andere zu identifizieren. Ein Beispiel aus der Einleitung: Die Reduzierung der Betriebsenergie wird durch eine Erhöhung des Dämmmaterials erreicht, wodurch die Auswirkungen dieses Materials (in Bezug auf Gewinnung, Verarbeitung und Einsatz) gleich oder sogar größer sein können als die Auswirkungen der eingesparten Energie in der Betriebsphase. Mit anderen Worten: Die Gesamtbelastung im Lebenszyklus nimmt nicht ab, sondern verlagert sich lediglich von der Betriebsphase in die vorherigen Phasen (Wirkungsverlagerung), wobei sich auch die Art der vom System erzeugten Verschmutzung ändert (Verlagerung von energiebezogener zu materialbezogener Verschmutzung).
Abbildung 1: Sechs Hauptphasen des Lebenszyklus eines Gebäudes
Im Bausektor wird besonders zwischen den betrieblichen Auswirkungen des Gebäudes, die mit der Betriebsphase zusammenhängen, und den intrinsischen Auswirkungen (manchmal auch graue Auswirkungen) unterschieden, die mit den vorherigen Phasen der Gewinnung von Primärmaterialien, der Verarbeitung, dem Transport und dem Bau zusammenhängen.
Im Allgemeinen treten die Phänomene der Verlagerung von Auswirkungen und der Verlagerung von Verschmutzung systematisch nach einer partiellen Umweltoptimierung auf, d.h. einer Optimierung, die entweder nur eine Phase des Lebenszyklus (z.B. die Betriebsphase des Gebäudes) oder nur eine Kategorie von Auswirkungen (z.B. Energie oder Kohlenstoff) adressiert.
Daher enthält jede der bisher im Bausektor entwickelten Ökodesign-Strategien mehrere Verlagerungen von Auswirkungen und Verschmutzungen. Dies war der Fall bei der oben beschriebenen Überdämmung der Gebäudehülle und den Doppelhautsystemen; es ist auch der Fall beim Holzbau, dem 3D-Druck, dem Recycling von Materialien sowie der Wiederverwendung von Bauelementen. Mit anderen Worten: Ein Umweltproblem wird systematisch durch ein anderes ersetzt, so dass die Strategie des Ökodesigns, die über den gesamten Lebenszyklus hinweg wirklich wirksam ist, erst noch entwickelt werden muss.
Von der Effizienz zur Genügsamkeit
Die derzeitige Verbreitung von Umweltbelangen rund um Treibhausgasemissionen, Abfallerzeugung, Zersiedelung, Verknappung von Rohmaterialien usw. führt zu einer semantischen Verschiebung dessen, was man als nachhaltige Strategie betrachtet. In der Tat scheint sich das Vokabular der Effizienz und Leistung, das dem Energiebereich eigen ist, allmählich in Richtung des Begriffs der Genügsamkeit zu entwickeln, der die Gesamtheit der zeitgenössischen Herausforderungen angemessener repräsentiert. In formaler Hinsicht vermittelt Genügsamkeit das Bild eines nüchternen oder sogar strengen architektonischen Objekts, das sparsam mit Ressourcen und Materialien umgeht und autark ist wie die Städte nach dem Karbon. Genügsamkeit ist also eine neue Effizienz.
Doch trotz dieser semantischen Verschiebung bleibt die ursprüngliche Herausforderung die gleiche: über den gesamten Lebenszyklus hinweg genügsam zu sein und neue Verlagerungen von Auswirkungen und Verschmutzungen zu vermeiden. Auch hier muss eine wirklich frugale Planungs- und Baustrategie erst noch entwickelt werden.
Erscheinungsdatum : November 2021